„Mond auf dem Wasser“ versammelt 14 Erzählungen von bekannten und weniger bekannten japanischen Autoren. Für Junichiro Tanizaki-Fans
hält der Band aus den 70er Jahren die erste Erzählung des Enfant
Terribles bereit: „Das Opfer“ (auch bekannt als „Tätowierung“ oder
verfilmt als „Irezumi – Spider Tattoo“)
das ist nicht nur eines, sondern nur das erste. Der Tätowiermeister
Seikichi ergötzt sich an den Schmerzen seiner Kunden. Doch ihn drängt
es, eine bestimmte junge Frau ausfindig zu machen, der er ein wahres
Meisterwerk tätowieren mag. Durch Zufall wird genau diese Frau, eine
angehende Geisha, als Botin zu ihm geschickt. Er betäubt sie und
tätowiert ihr eine Spinne auf den Rücken – ein Symbol für ihre
Fähigkeit, Männer einzufangen und ausbluten zu lassen. Das erste Opfer
findet die Schönheit im Tätowiermeister.
Shotaro Yasuokas
Protagonist in „Die Glasschuhe“ verbringt einen ungewöhnlichen Sommer:
Nachts arbeitet er als Wachdienst in einem Waffengeschäft, tagsüber
verbringt er seine Zeit bei Etsuko, die das Haus eines Amerikaners
hütet. Die Stimmung zwischen den beiden ist losgelöst, etwas verrückt
und sicherlich naiv – doch die Sommerferien des Amerikaners neigen sich
zu Ende und damit die unschuldige Zeit des Paares.
Seiichi Funabashis
„Die Distelwolke“ ist mehr als tragisch: Der Witwer Ichimatsu verliebt
sich in eine weitläufige Verwandte seiner verstorbenen Ehefrau. Das
junge Mädchen Chika hat sich jedoch bereits mit einem Soldaten verlobt,
der in den Pazifikkrieg zieht. Auch sie fühlt sich zu dem Witwer
hingezogen, obwohl die Familie von Ichimatsu eine Beziehung der beiden
verurteilt. Doch Ichimatsu ist mehr als vorbildlich: Obwohl sich mehrere
Möglichkeiten bieten, rührt er Chika nicht an. Er will warten, ob
Chikas Verlobter lebend aus dem Krieg zurückkehrt und dann Chika vor
eine Entscheidung stellen. Doch leider kommt schließlich alles anders.
Kyoshi Takehama erzählt in „Ikaruga-monogatari“ von Omichi, die sich unglücklich in einen Mönch verliebt.
Ryunosuke Akutagawas
Erzählung „Kesa und Morito“ handelt von einem Verbrechen, das in zwei
Selbstgesprächen geführt wird. Morito ist ein alter Verehrer von Kesa.
Doch sie hat einen anderen geheiratet und hat ihre Schönheit über die
Jahre eingebüßt. Morito vergeht sich bei einem Wiedersehen an Kesa, will
sie sogar dazu überreden, gemeinsam Kesas Ehemann umzubringen. Doch
Kesa hat andere Pläne.
Shusei Tokuda
zeichnet mit „Der Orden“ das Bild einer unglücklichen Ehe. Kanoko geht
erst eine Ehe ein, als sie vom Berufsleben enttäuscht wurde. Doch auch
ihr Ehemann ist eine Enttäuschung: Er kann nicht mit Geld umgehen, macht
Spielschulden, schert sich kaum um seine Ehefrau und ist obendrein noch
unfruchtbar. Mehrfach versucht Kanoko sich von ihm zu lösen, doch
scheitert sie jedes Mal erneut.
Kafu Nagais
Erzählung „Geliebtes Gesicht“ spielt – wo auch sonst – in den Freuden-
und Vergnügungsvierteln Tokios. Zwei Taxi-Chauffeure verbringen die
Nacht vor den Toren Yoshiwaras. Toyo beginnt in einer rührseligen
Stimmung seinem Kollegen Tame von seiner verstorbenen Ehefrau und deren
Ebenbild, einer Tänzerin aus Asakusa, zu erzählen.
Auch Fumiko Hayashis
„Tokio“ ist eine tragische Liebesgeschichte: Ryo verkauft im
ausgebombten Tokio der Nachkriegsjahre Tee. Die verheiratete Frau wartet
auf die Rückkehr ihres Ehemanns, der in Sibirien in
Kriegsgefangenschaft ist. Doch während ihrer Verkaufstour von Baracke zu
Baracke lernt sie Tsuruishi kennen und lieben. Leider ist den beiden
kein Happy End vergönnt.
Mit „Mond auf dem Wasser“ lässt Yasunari Kawabata
Kyoko an ihren verstorbenen Ehemann denken. Von seiner Krankheit schwer
geschwächt, war dem Mann Kyokos Handspiegel ein Fenster zur Welt. Doch
auch seinen eigenen Verfall konnte er damit beobachten.
„Im Wiederaufbau“ befindet sich ein Hotel, in dem sich Ogai Moris
Protagonist Watanabe mit einer Europäerin trifft, mit der er einst
intim war. Die Sängerin tourt mit ihrem Pianisten Kosinski durch die
Welt und vielleicht auch durch die Betten. Ob der Wiederaufbau der
Beziehung der Europäerin mit Watanabe gelingen wird?
Shimei Futabateis Ich-Erzähler wird sich während seines Studiums des
eigenen „Mittelmaß“ bewusst. Er quartiert sich bei entfernten Verwandten
ein, die ihn primär als Diener behandeln. Er schluckt die Demütigung
herunter, hat er sich doch in die Tochter des Hauses Yukie verliebt.
Masuji Ibuses
Protagonisten wird der „Besuch einer Frau“ angekündigt – sehr zum
Missfallen seiner frischgebackenen Ehefrau. Denn es handelt sich bei der
Frau um Aiko, die vor Jahren den Heiratsantrag des Ich-Erzählers
abgelehnt hatte.
„Eine Glocke aus Fukagawa“ klingelt in Matsutaro Kawaguchis Erzählung,
wenn der Ich-Erzähler seine Nächte mit der Witwe O-ito verbringt. Der
Protagonist hat sich über dem Sushi-Lokal von O-ito eingemietet, um
Literatur zu schaffen und ein bedeutender Autor zu werden. Um nicht von
seiner brotlosen Kunst abhängig zu sein, trägt er sich mit dem Gedanken,
O-ito zu ehelichen. Doch als der Ich-Erzähler die ersten Früchte seines
literarischen Engagements erntet, entschließt sich O-ito anders.
In „Manazuru“ von Naoya Shiga macht ein Junge seine erste Erfahrung mit dem Gefühl der Liebe und geht einen ersten Schritt Richtung Erwachsenwerden.
Zwar sollen die Erzählungen in „Mond auf dem Wasser“ „Moderne japanische
Liebesgeschichten“ sein, doch trifft dies nicht unbedingt auf alle der
versammelten Werke zu. So sind die Protagonisten in Ryunosuke Akutagawas
„Kesa und Morito“ eher von Abscheu getrieben; Junichiro Tanizaki spielt
in seiner ersten Erzählung bereits mit den sadomasochistischen
Fantasien, die sich auch durch sein späteres Werk ziehen.
http://japanische-literatur.blogspot.com/2013/02/mond-auf-dem-wasser-herausgegeben-von.html